Eigentlich wollte er ja schon seine großartige Hauptband Cloudberry als Soloprojekt starten, bis Sänger, Gitarrist und Songschreiber Marco Pleil merkte, dass seine ausgetüftelten Ohrwürmer nach arrangierenden Hintermännern verlangten. Und auch, wenn diese Entscheidung die scheinbar einzig richtige war, brodelte es unter der Oberfläche des extrovertierten Frankfurters weiter. Nun, nach mittlerweile vierzehn Jahren Cloudberry, fasste sich der Hesse schließlich ein Herz und gründete unter dem Namen Pleil seine eigene Band. Nicht zum Trotz, sondern um seine ganz eigenen musikalischen Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Mit der Zeit haben sich so einige Songskizzen in seinem Kopf abgezeichnet, die sich glücklicher Weise von denen seiner Hauptband abheben (hat es denn wirklich noch separat ein Farin Urlaub Racing Team gebraucht oder einen Chad Kroeger, abgekoppelt von Nickelback?). Neu ist, dass Pleil erstmalig auf deutsche Texte zurückgreift. Sein feines Gespür für tolle, eingängige Melodien dagegen, bewahrte er sich auf. Die drei Songs seiner Debüt-EP "Punkt. Statt, Komma" (bislang nur digital erschienen) präsentieren sich dennoch in einer ungewohnt intimen und zurückhaltenden Art. Fast schon schüchtern und flehend, und irgendwie auch an den melancholischen Gesang von Klez.e-Mastermind Tobias Siebert erinnernd, ringt sich Pleil bedächtig durch die Versen des Titelsongs, in dem er nicht nur lyrisch die Metropole Berlin hinter sich lässt. Die Aufnahmen seiner eigenen Songs fanden diesmal im benachbarten Offenbacher Tonstudio Bieber statt, was gewisser Maßen sicherlich auch Teil seiner Selbstfindungsphase ist. Man kann sich eben nur an einem vertrauten, tief emotional verbundenen Ort vollkommen öffnen und die Seite offenbaren, die all die Jahre zuvor nur unterschwellig existierte. Das soll nicht heißen, dass er mit Cloudberry unehrliche Musik fabrizierte. Nur war es halt für eine Bandformation zurecht geschneiderter, guter Powerpop, der für die wahren Gefühle seiner federführenden Stimme eben nur bedingt geeignet war. Mit seinem Soloprojekt muss Marco Pleil nun keine Kompromisse mehr eingehen. Er sagt, was gesagt werden muss. Um es selbst verarbeiten zu können, um seinen Platz zu finden, um Frieden zu schließen. Und schlussendlich macht er das, was getan werden muss. Mit überschaubaren, minimalistischen Mitteln - und den cleveren Ideen, die da schon immer in seinem Kopf umherschwirrten.
Jordan Widdowson ist schon ein ziemlich umtriebiger Zeitgenosse. Einen überregionalen Namen erspielte sich der Engländer nicht nur als Shouter der Metalcore-Größe While She Sleeps, sondern zuletzt auch mit seiner neuen Band Atlas, mit der er sich allerdings mehr im melodischen Hardcore austobt. Den Übergang vom Metal zum Hardcore erprobte er sich mit seiner zwischenzeitlichen Band Paper Lungs, für die er Szenekumpels aus anderen Sheffielder Gruppen wie Almost Home, Stations, Dead Harts oder The Legacy zusammentrommelte. Leider hielt sich die Band gerade mal zwei Jahre über Wasser, spielte einige regionale Shows und veröffentlichte im Februar 2013 ihre Debüt- und einzige EP "Death Will Touch All We Love", die nur digital und als Spendendownload auf Bandcamp erschien. Diese zeichnet sich vor allem durch ihren hörbaren Willen nach Veränderungen aus, denn dass hier keine Anfänger zu Werke gehen, stellen die fünf Beteiligten direkt zu Beginn mit dem gleichzeitigen Einbruch von Riff, Geschreie und Stakkatogeknüppel im Opener "24th July" klar. Melodieverständnis bewiesen allesamt ja bereits in ihren Vor- und Nebenbands, mit Paper Lungs wird dieses nun auch in den Bereichen Hardcore-Punk und Melodic Hardcore ausgelotet, wobei immer mal wieder ein paar metallische Rohelemente durchblitzen können. Das kann bisweilen an die druckvollen Artgenossen Verse oder Carpathian erinnern, oder als Referenz - natürlich - auch gleich die beiden großen Namen Defeater und More Than Life heranziehen. Alles in Allem ein anständiges Debüt und leider auch einziges Vermächtnis in dieser Formation.
Der erste Akkordanschlag, der bereits andeutet, dass hier die Gitarre nur über Umwege ans Ziel gelangen wird; unbeschwerte Groupshouts; Lo-fi-Sound; ein Bandname, wie ihn wohl bloß Connecticuter nachvollziehen können. Nicht zufällig erinnert hier so einiges an Willimantic's Finest Bands TWIABP&IANLATD und One Hundred Year Ocean. Vor allem die (hörbar) selbstaufgenommene Debüt-EP "Sandpits and Airports" trägt den wehmütigen Gedanken an Vergangenes in plänkelnden Midwest-Emo fort, versucht mit eingestreuten Keys dem Ganzen aber auch immer etwas Positives abzugewinnen. Der wesentlich besser produzierten "I Gave You Everything..."-EP wohnen zwar auch größtenteils ausdauernde Songs inne, mit fast durchgängigem Geschreie rücken diese nun aber mehr dem Post-Hardcore/Emocore-Light auf dem Pelz. Ein Line-Up-Wechsel holte Ende 2011 Derrick Shanholtzer-Dvorak mit ins Boot, mit dem die Band bislang den Rough-Mix ihrer neuen EP "I'm Going to Quit Big Y" einspielten. Somit ist es vielleicht auch nur noch eine Frage der Zeit, bis iwishididntexistrightnow ihr erstes physikalisches Release auf Broken World Media feiern können, z. B. die angekündigte Split mit den benachbarten Emo-Punks Osier Bed.
Mit Hieroglyphs spuckte die Talentschmiede Aschaffenburg im Jahr 2011 einen weiteren hoffnungsvollen Hardcorebrocken aus. Vier toughe Kerle, die allesamt in der Lage sind, ihre Instrumente beeindruckend in Szene zu setzen und das Hardcorealphabet auch rückwärts in Rekordzeit herunterrasseln. Klar, dass hier keine frivolen Geschichten aus dem Wirtshaus im Spessart aufgetischt werden, stattdessen finstere, seelische Abgründe durchleuchtet und mit viel Wut und Galle wieder hochgewürgt werden. Zusammen mit den bedrohlichen Riffs, niederschmetternden Breakdowns und etwas Blastbeat-Geschreddere, ergibt das einen herrlich pessimistischen und düsteren Untergangssoundtrack, der den geneigten Hörern den Weg ins Moshpit allerdings mit etwas Sludge-Matsch erschwert. Mit ihrem Debüt "Consuming the Swarm", erschienen auf Tape und als erstes Labelrelease von Disobey Recordings, und dem zwei Song starken Nachfolger "Blaming You", können Hieroglyphs bislang auf zwei EP's zurückblicken. Nach über einem Jahr Funkstille und dem plötzlichen Ausstieg ihres Gitarristen, spielte die Band im März diesen Jahres ein Abschiedskonzert, entgegen aller Voraussicht, allerdings nicht ihr eigenes. Mit dem festen Einstieg ihres Aushilfsbassisten Max Holzapfel gab die Band bekannt, dass derzeit an neuen Songs gearbeitet werde und weitere Konzerte in Planung sind. Gut so!
"Separate Ways Together", ein Titel, der sich mit dem Wissen um das letzte Release der englischen Band, gleich mal ganz anders liest. Einfach ist es den fünf Inselbewohnern aus St. Albans sicherlich nicht gefallen, immerhin tourten sie während ihres vier-jährigen Bestehens durch Halb-Europa und sammelten vor allem Hierzulande jede Menge neue Freunde ein. Letztendlich lässt sich aber jede Leidenschaft nur so lange ausleben, wie es die Mittel nunmal zulassen, und so bleibt uns neben ihren beiden EP's (jeweils als Tape über Pinky Swear Records erschienen), vor allem die Erkenntnis, dass sich wieder einmal eine talentierte Band viel zu frühzeitig verabschieden muss. Trotz ihrer experimentellen Annäherung an den Hardcore, bewiesen Isolated bereits auf ihrem 2011er-Demo ein glückliches Händchen für treibende Melodien. Auf "Separate Ways Together" fanden diese nun druckvoller, eingängiger und wesentlich besser produziert ihren Weg ins Ohr des Rezipienten. Ob mit Crewshouts wie im Opener "Glitter & Blues" oder mit zusätzlicher Unterstützung von Rumour Mill-Frontmann George Noble in "Pale Kings", auf ihrem zweiten Release verstanden es Isolated, die Stimmung ordentlich anzuheizen. Der Wermutstropfen: mit ihrem vielleicht stärksten Song "Autmun's orphans" verabschiedet sich die Band nicht nur von der EP, sondern auch gänzlich von der Bühne.
Eines ist sicher: sollte der Leibhaftige tatsächlich mal einen Sohn zeugen, wird er wohl in der Tonmeisterei zur Welt kommen. Keine Ahnung, ob die dort gastierenden Bands schon mit dermaßen finsteren Visionen das Studio betreten, oder ob die dunklen Gemäuer sie erst zu solchen inspirieren. Fakt ist, wer sich mit den Oldenburger Klangtechnikern einlässt, wird das Studio erst wieder mit einem bedrohlich scheppernden und düsterem Bollwerk verlassen. Die Kölner Band In Circles, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen, amerikanischen Post-Hardcore-Variante, ist mit ihren beiden dort eingespielten Veröffentlichungen schon fast sowas wie ein Stammgast und kann sich mit ihrem düsterem Modern Hardcore besten Gewissens ihren Vorgängern anschließen. In Circles schreiten unaufhaltsam wie die sprichwörtliche Dampfwalze voran, indem sie drückende Gitarrenwände Stück für Stück aufbauen, mit schleppenden Breakdowns wieder einreißen und sich mit dem fiesen, fast schon trashigen Gekeife somit irgendwo zwischen Amber, Brutality Will Prevail und Birds in Row austoben.
Im Song "Rêverie Cult" ihrer gleichnamigen 7" ist zwischenzeitlich AYS-Frontmann Florian Schommer zu hören, der sich bislang um das T-Shirt-Design und das Cover-Artwork der Band kümmerte.
Einen Beleg dafür, dass sich Spanisch nicht nur als Sprache der Verführung, sondern auch hervorragend für bittersüßen Skramz eignet, liefert das spanische Quintett Descubriendo a Mr. Mime. Nach einem Demo, welches 2010 noch im selben Jahr der Bandgründung eingespielt wurde, und einer Split-7" mit den mittlerweile aufgelösten Nachbarn ¡Silencio, Ahora, Silencio!, veröffentlichten die Madrilenen Ende letztes Jahr ihr Debüt-Album "... y ya no me quedan más dientes por arrancarme.". Mit den darauf platzierten acht Songs reichen der Band gerade mal 19 Minuten, um den Hörer von ihrer eigenen Symbiose aus Screamo, Post-Hardcore und etwas Punkaffinität zu überzeugen. Hauptakteure dabei sind, neben dem beißenden Geschreie, ganz klar die Gitarren, die die recht kurz gehaltenen Songs immer wieder in eine andere Richtung lenken und somit der vorhersehbaren Eingängigkeit einen Riegel vorschieben. Statt melancholischem Geplänkel, verbauen Descubriendo a Mr. Mime allerdings lieber antreibende Hooklines, sodass die Songs weder unnötig ausgebremst werden, noch zu zerfahren wirken. Und mit ihrem "Light-Faktor" - das Album wurde live eingespielt und der Bass brummt nur dann, wenn es erforderlich ist - hat die Band sowieso den DIY-Sympathie-Bonus auf ihrer Seite. True Screamo.
Breakcore, Nintendocore, Cybergrind und viele mehr. Die Idee, Hardcore mit elektronischer Musik zu kreuzen, ist sicherlich nicht neu und ist so ziemlich jede vorstellbare Symbiose eingegangen. Das amerikanische Quintett Sirens aus Terre Haute schafft es dennoch, fernab jeglicher Klischees und Referenzen einen vollkommen eigenständigen Mix zu kreieren. Zugegeben, man muss auch als Hörer ein gewisses Maß an Schizophrenie mitbringen, um die sprunghaften Wechsel und die kontrahenten Überlagerungen von Metalcore, Post-Hardcore, Dubstep, Breakbeat und ambienten Soundscapes einiger Maßen nachvollziehen zu können, wie beispielsweise die seichten Electropop-Elemente in den Songs "Unstable and Floating" und "Music Box", die sich vom Moshgeballere im Hintergrund nicht aus der Ruhe bringen lassen. Die Band selbst betaggt ihre Musik schlicht mit Progressive Metal, Electronic und Ambient, was als grobe Einleitung sicherlich nicht irreführend ist, da alle benannten Spartengänger zu gleichen Teilen auf ihre Kosten kommen. Allerdings erklärt es nicht ihren experimentellen Anspruch, mit dem sich Sirens in die Grauzone zwischen den oben genannten Subgenres vorwagen. Ihre Anfang 2012 erschienene Debüt-EP "Spore", die einige Monate später in einer remixten und remasterten Version digital über das Label Imminence Records erneut veröffentlicht wurde, gibt's als PWYW-Download über Bandcamp. Ein Album wurde für das Jahr 2013 angekündigt, scheiterte allerdings daran, dass zwei Mitglieder die Band verließen. Mit dem Einstieg von Nolle und Misha Mansoor (beide bei der experimentellen Progressive-Metal-Band Periphery aktiv) wurden die Lücken erst vor kurzem wieder gefüllt. Sirens-Sänger Joey Fenoglio war in der Zwischenzeit als Gast bei Transcendency zu hören, während Electronic-Composer Zachary Huff sein Solo-Debüt "Dreamsura" fertig stellte.
Sonic Booze Machine sind vermutlich wieder so eine Band, die man erst mit einem ihrer späteren Werke für sich entdeckt. Der Sound klingt vertraut, weiß sofort zu begeistern, bis sich die Frage aufdrängt, warum man von dieser Combo noch nie etwas gehört hat und sich schließlich anachronistisch durch die Diskografie bis zu den Anfängen nachholend durcharbeitet. Im Falle des Berliner Quartetts ist diese trotz ihres siebenjährigen Bestehens bislang recht überschaubar. Mit ihrer 2008 erschienenen Debüt-EP "Call of the Dead Horse" wollte die breite Masse noch nicht so recht warm werden, vielleicht auch, weil sich die darauf enthaltenen fünf Songs gezielt zwischen den Genres Metal, Hardcore, Sludge und Stoner bewegten und es einfach die falsche Zeit für derartige Experimente war. Heute, sechs Jahre später, ist wohl nichts so beständig wie die Sprunghaftigkeit. Ohne ein gewisses Maß an Experimentierfreudigkeit oder Ausflüge in benachbarte Genres, scheinen Bands plötzlich nicht mehr innovativ zu sein. Vielleicht auch deshalb, könnten SBM im Jahr 2014 mit ihrer neuen EP "Doomed to Fail" (6 Songs verteilt auf 38 Minuten Spielzeit und somit eventuell sogar das erste Full Lenght??) mehr Aufsehen erregen als damals, denn bis auf die bessere Produktion hat sich an ihrer Musik nicht viel geändert. Selbst eine feste Szenegröße wie Baroness, die nicht nur hinsichtlich des Cover-Artworks als Referenz herhalten darf, zog es mit ihrem letzten Album ein Stück weit weg vom Metal und hin zum Rock. SBM beanspruchen weder das Eine, noch das Andere vollständig für sich, sondern outen sich als mutige und stilsichere Grenzgänger. Ein Grundtenor lässt sich nur schwer finden, dürfte aber mit Sludge(-core) den Kern noch am ehersten treffen, aus dem sich immer wieder progressive Spielfreude entwickelt oder groovende Stoner-Gitarren ausbrechen. Vor allem mit letzterem treffen SBM derzeit wohl den Nerv der Zeit, erst recht im Berliner Untergrund.
Wie auch schon die Debüt-EP, erscheint "Doomed to Fail" als limitierte CD (250 Stück) im Eigenvertrieb. Eine 180g-Vinyl-Edition im Gatefold soll demnächst folgen, ist allerdings von der derzeitigen Labelsuche der Band abhängig. Angeblich sind sie ja bereits in Leipzig fündig geworden. Der nächste Schritt ist dann die gemeinsame Split-LP mit ihren Berliner Kollegen von Android Empire.
Eigentlich ist jedes Wort der Beschreibung überflüssig. Über den italienischen Exportschlager Raein wird wohl schon jeder irgendwann mal gestolpert sein, der sich dem Screamo-Genre zugehörig fühlt, egal ob im Untergrund, weit darüber hinaus oder sei es bloß als Referenzanhang seiner neuen Lieblingsband. Raein verstehen es wie keine zweite Band, den Screamo sowohl mit treibenden und erschöpfenden Melodien ins Moshpit zu jagen, als ihn auch zu Gunsten ihrer Experimentierfreudigkeit auszulegen. Letzteres wohl auch, weil sich einige Mitglieder zuvor und währenddessen bei den nicht wesentlich weniger bekannten Schreihälsen La Quiete und den instrumentalen Postrockern Neil on Impression ausließen. Bis auf das selbstbetitelte Debüt-Album, das Discography-2000-2004-Tape und ihr bislang letzter Output, die gemeinsame Split mit Loma Prieta, stehen die übrigen Releases zum kostenlosen Download auf der Bandpage für euch bereit.
Schon möglich, dass Entrails Out! um die Jahrtausendwende die Publikumslieblinge in und um die Region Wanne-Eickel waren. Allein aufgrund ihres "Come On Let's Die!"-Demotapes (1999) und des auf CDr gebrannten Debüt-Albums "Enjoy the Violence" (2000) ist man darüber hinaus sicherlich nicht auf die Band gestoßen. An mir jedenfalls, zogen die Bandgründung im Jahr 1998, die Trennung vier Jahre später und die Reunion 2011 spurlos vorbei, genauso wie ein Großteil der zwischenzeitlichen Nebenprojekte (u. A. Goregonzola, Zaroman, Asymmetric Madness, Vegetarian Allstars). Bemerkenswert also, dass die einstiegen (scheinbaren) Undergroundheroes vierzehn Jahre nach ihrem letzten Release, nun als waschechte Superhelden auf die Erde zurückkehren und sich mit ihrem zweiten Album "Am Puls der Zeit" (200x Purple & 300x Black Vinyl, Digipak-CD, Deluxe Grind Edition Download + Bonussong) gleich mal bei Moment of Collapse und Cobra Records einnisteten. "Wenn man euch getrennt hätte, wäre das eine Katastrophe für unsere Welt geworden", heißt es dementsprechend selbstbewusst im Einstiegssample des Openers "Chrome", ehe knochenbrechendes Gemoshe, hirnwindenzerfräsende Blastbeats und wildes Gekeife den Song in eine wüste Orgie verwandeln. Das Cover nimmt es ja bereits vorweg, dass man Entrails Out! mit der notwendigen (Selbst-)Ironie begegnen sollte, was eingefleshten Grindern an einigen Stellen sicherlich sauer aufstoßen wird, allerdings ebenso wie Denjenigen, die in der Band eine reine Spaßkombo suchen. In erster Linie schlagen uns die vier nordrhein-westfälischen Krachmacher eine handwerklich solide sowie technisch versierte Mischung aus Death Metal und Grindcore mit ordentlich Schmackes um die Ohren. Nur gönnen Entrails Out! sich und dem Hörer den einen oder anderen Ausreißer mehr, wie der Möchte-Gern-Rap inklusive Scratching im Song "Entrails Out!" oder die Punkausflüge in "Am Puls der Zeit" und "Take Care of Your Life", wovon sich letzterer zumindest zeitweilig dem Blastbeat-Geschreddere entziehen kann und sich stattdessen in akustischer Gute-Laune-Atmosphäre zerstäubt. Wie gesagt, Entrails Out! werden es nicht allen recht machen können. Die aufge-, vielleicht auch unentschlossene Masse dazwischen nimmt's gelassen.
Anhänger, insbesondere die der ersten Stunde, des Saarländischen Quartetts In the Event of Fire haben es gar nicht so leicht. Die 2005 gegründete Band debütierte zwei Jahre später mit ihrem Demo "Humanity" (veröffentlicht als limitierte CD im Pappschuber, siehe und höre Youtube-Stream unten), einem rohen Bastard aus Hardcore-Punk und Metalcore. Soweit, so gut konnte die kleine moshende Fangemeinde aus der deutsch-französischen Grenzregion wohl noch der apuristischen Freizügigkeit der Band folgen. Fast drei Jahre mussten diese nun geduldig auf ein weiteres Lebenszeichen ihrer einstigen Untergrundhoffnung warten, bis jene sich 2010 mit ihrem ersten offiziellen Release "Black Doves Rise" (als CD über Anstreet Records und als limitiertes gelbes Tape über LastExitRecords) eindrucksvoll, aber eben auch ungewohnt zurückmeldeten. Post-Hardcore, Emocore bzw. Screamo stellten den Hardcore-Punk ein Stück weit in den Schatten, wobei die Band mit dem selbstzugefügten Begriff Artcore schonmal eventuellen Erklärungsnöten vorbeugte. Na klar, Artcore kann sich in so ziemlich jeder härteren Gangart fortbewegen, während die erste Silbe dem musikalischen Experiment sämtliche Steine aus dem Weg räumt. Die acht darauf enthaltenen Songs klangen dennoch strukturiert, wenngleich progressiver und mit cleanen und melancholischen Parts etwas aufgeräumter, und konnten sich einer soliden Produktion erfreuen, die auf der Oberfläche noch genügend DIY-Schmutz übrig ließ.
Und weiter?! In the Event of Fire fingen an Shows zu spielen, fielen für neun Monate in ein schwarzes Konzertloch und meldeten sich Ende 2013 mit der Ankündigung eines neuen Albums zurück. Im Februar 2014 hatte das vierjährige Warten auf einen Nachfolger ihres Debüts ein Ende. Wer die Band bis hierher noch nicht aus den Augen verloren hatte, konnte sich nicht nur der (eigentlichen) fünf neuen Songs auf "Drought in Our Hearts...Blood in the Sands" erfreuen, sondern auch an dem ersten Vinyl-Release, das in Eigenregie als Clear 12" in einer limitierten Auflage von 200 Stück erschien. Und nur noch mal zur Erinnerung, In the Event of Fire machen Artcore, nur, dass jetzt eben nicht mehr viel vom "core" übrig geblieben ist und die Band von einer anderen Perspektive aus betrachtet werden muss. "Drought in Our Hearts..." ist ein völliger Umbruch, ein Neuanfang und vielleicht auch der finale Kopfstoß, der nun auch noch die letzten verbliebenen Anhänger in die Knie zwingt.
Ein atmosphärisches Intro schlägt nun also die Brücke zu neuen Ufern und leitet den ersten regulären Song "Eternal Wings" ein, der mit einem satten Riff zu Beginn die gespannte Hardcore-Fraktion genauso schnell zu begeistern weiß, wie er sie mit dem spontanen Wechsel auf emotionalen Gesang und Spoken Words postwendend wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Diese wird die Band auch mit dem furiosem Finale inklusive heroischem Chor nicht zu begeistern wissen, Diejenigen, die der Band und dem Alternative Rock generell vorbehaltslos gegenüberstehen, dafür um so mehr. Das folgende "My Apology" lässt sich von einer ähnlich melancholischen Welle fort tragen und erinnert nicht nur im Titel an ehemalige Creed und die Jahrtausendwende. Kann man natürlich auch wieder gespalten sehen, allerdings ein Umstand, den In the Event of Fire offenbar schamlos für ihren Überraschungsmoment ausnutzen, denn bereits der nächste Song "No Rose Without a Name" ist ein post-rockender Brocken, der die Band für einen kurzen Moment in den progressiven Screamo zurückwirft. "When the Rivers Course Dried" wirkt kurz vor Schluss mit eingeschobener Schreipassage nochmal wie ein Kompromissversuch, ehe das Album mit dem siebenminütigen "Convalesced", das mittendrin mit deutschsprachigen Indiepop anscheinend auch noch die letzten verbliebenen Fans verärgern will und sich nur noch mit kurzweiligen Gitarrenbrettern aufwölbt, episch ausklingt.
Würden In the Event of Fire nicht wie die netten Burschen von nebenan klingen, könnte man ihnen doch glatt Provokation unterstellen. Somit will ich lieber auf eine interessante Band hinweisen, die auf ihren drei bisherigen Veröffentlichungen viele Gesichter offenbarte. Welche davon schön anzuschauen sind, muss jeder für sich entscheiden. Ich für meinen Teil hoffe nur, dass die Band im Zuge ihres Fortschritts nicht das, was sie bereits hinter sich gelassen hat, vollkommen aus den Augen verliert.
Im Jahr 2009 wurde aus der kurzlebigen italienischen Post-Punk-Gruppe Baby on a Green Sofa die Band Emily Witch. Die neue Zielsetzung, sich im 90er-Grunge auszuprobieren, stand mit dem Einstieg von Gitarrist und Sänger Antonio Femia schon mal unter guten Sternen, lieh dieser zuvor immerhin der Pearl-Jam-Coverband Mamasan sein kratziges und sonores Organ. Die Band debütierte Mitte 2011 mit der EP "Painfully Sober Again", die mit dem Opener "Klang" gleich zu Beginn eine schmissige Rocknummer aus dem Ärmel schüttelt, in der Femia einen lebensfroheren und weniger verschnieften Kurt Cobain verblüffend nahe kommt. Bereits im darauffolgenden "Gerbera" wollen Emily Witch ihre Hörer dann auch von ihrer vollen Bandbreite überzeugen, wobei sich die ersten vier Minuten des Songs gewohnt melodiesicher und etwas energischer seinem Vorgänger anschließen, ehe sich düster schwingende Gitarren über fünf Minuten schleppend und Stück für Stück zum divergenten Post-Rock hochschaukeln. Suldgig und mit verquer quietschenden Saiten, gelangt das bedrohlich stampfende "Demenza Senile" zum Ende hin schließlich doch noch ans rettende Ufer, während die vier Italiener in "Parchimetro" eine wüste Noiseorgie feiern. Das leicht verdauliche "Elevator" bildet als fünfter und letzter Song dann das versöhnliche Ende und gleichzeitig den fließenden Übergang zur Videoclip-Single "Sandstorm", die ihren Weg auf die gemeinsame Split mit den Indie-Rock'n'Rollern Miss Fräulein fand und sich mehr dem Alternativerock von Dinosaur Jr. anschmiegt. "Sandstorm" ist auch der erste Song, der mit Neu-Schlagzeuger Giorgio Faini eingespielt wurde, der sich nebenbei bei der Metal-Band Amorphead abreagiert.
"Painfully Sober Again" erscheint als CD, während die Split standesgemäß auf schwarzes und transparentes 7inch-Vinyl gepresst wurde. Beide Releases sind über das italienische Independent-Label Overdrive zu erwerben.
Ob Springfield, Missouri die Heimatstadt der Simpsons ist, bleibt weiterhin ungewiss. Zumindest aber ist die 160.000-Einwohner-Stadt Herberge einer stetig anwachsenden DIY-Musikszene, in der sich die Beteiligten gerne auch mal gegenseitig aushelfen oder auf die Füße treten. Das Quartett Dirt Nap gründete sich irgendwann im Laufe des Jahres 2013 und veröffentlichte noch Ende selbigen das Debüt-Album "Just Ask the Boys", auf dem auch Gastsängerin Inge Chile von der Math-Pop-Gruppe Ings und Blackhole-Frontshouter Hal zu hören sind. Neben ihren Oberlippenbärtchen, servieren uns Dirt Nap vor allem musikalisch einen sympathischen Flashback aus den 80ern. Fuzz Rock, Surf, Garage, Punk und Psychobilly werden der Reihe nach abgearbeitet, letztendlich im Lo-Fi-Sound gebündelt und mit freundlichen Grüßen vom Batmobile, der Stray Cats und den Beach Boys in die Gegenwart katapultiert. Fetzt!
Yakuzzi Tapes/Spastic Fantastic, die Erste: "Diese Männer haben sich nicht zum Zeitvertreib versammelt. Sie haben ein gemeinsames Problem: Ihr Vorname ist Dieter und sie leiden darunter." Wer also irrtümlicher Weise davon ausgegangen ist, hier eine Spaßkapelle vorgesetzt zu bekommen, der kann sich jetzt mal gepflegt in die Ecke stellen und sich gründlich schämen. Denn für einige Betroffene scheint Hans-Dieter mehr als nur ein äußerst undankbares Geschenk ihrer Eltern zu sein, nämlich eine Krankheit. Als Therapie wählen die vier Darmstädter die Frust - von - der - Seele - schreien - und - dazu - wild - auf - die - Instrumente - einkloppen - Methode, und verlieren sich dabei im ausgelassenen und schnellen Trash-Punk bzw. Fastcore. Nach dreizehn Attacken und vierzehn Minuten ist die Sitzung dann auch schon wieder vorbei. Ob die Betroffenen vollständig genesen sind, bleibt zu bezweifeln. Dafür gibt's jetzt 'ne neue Therapiegruppe.
Yakuzzi Tapes/Spasic Fantastic, die Zweite: Nakam steht kurz für Noise akaMusic. Oder vielleicht doch für die jüdische, radikale Organisation gleichen namens, die in der Nachkriegszeit Rache (= Nakam) für den Holocaust verübte und verüben wollte? Letzteres würde zumindest die Songnamen "Plan A" (der Plan, die Trinkwasserversorgung in mehreren Städten zu vergiften und somit Rache am deutschen Volk zu nehmen) und "Plan B" (die Vergiftung inhaftierter SS-Angehöriger) erklären. Musikalisch verbindet die Freiburger Band auf ihrem Demo-Debüt trashigen Punk der Marke Nihil Baxter mit den melodisch rockenden Gitarren der Derby Dolls und Hysterese. Und warum zieht er als Referenz nun ausgerechnet diese Bands heran? Naja, dürfte wohl klar sein. Ihr seid ja schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Demo Tape soll im April erscheinen.
Weg vom Trash und hin zum derbst angepissten Hardcore-Punk, zieht uns die Greifswalder Band Tesla Cessna, deren Frontmann Archi sich schon bei Schleim (???) austobte und der mit seiner melodischen Nebenband Auf Bewährung mittlerweile halb Europa aufgemischt hat. Weniger melodisch, als vielmehr mit reichlich Attitüde, prügelt uns das Trio auf ihrer Debüt-10inch "Revenge" zwölf Songs innerhalb von sechzehn Minuten in die Ohren. Natürlich darf die Gitarre auch gerne mal die eine oder andere treibende Hook ausspucken. Titel wie "Burn the Major Labels", "Frustrated", "Fick die Cops" und das einleitende "Anti" zeigen jedoch, dass die Band auch inhaltlich mächtig viel Staub aufwirbeln will. Damit konnten sie immerhin schon die Berliner Reisegruppe Morgenthau beeindrucken, die gleich mal den Aggro-Hit "Alles kaputt" coverten, und auch die Agressive Punk Production, die Tesla Cessna auf den Bonus-Download-Sampler zum letzten Aggropunk-Volumen raufpackten. Der auf Bandcamp bereitgestellte Spendendownload enthält nur sieben der insgesamt zwölf 10"-Songs. Wer das komplette Paket haben möchte, kann sich eine der 300 Vinyl-Scheibchen zulegen, von denen die ersten hundert auf blut-rotem Wachs gepresst wurden.
Will uns das Gladbacher Quartett Bambi mit diesem nicht gerade selten vergebenen Namen vorab etwas mitteilen? Erwartet uns etwa unstillbarer Herzschmerz, so wie im gleichnamigen Zeichentrickfilm? Soll dieser Name die Juroren des ebenfalls unter diesem Namen bekannten Medienpreises beeinflussen? Oder wollen sie lediglich ihre Hörerschaft bei der Google-Suche nach ihnen etwas ärgern? Mit ihrem Mix aus Indie-Pop und Indie-Punk, erinnert die Band Bambi ansonsten eher an erst kürzlich vorgestellte Felias. Manchmal vielleicht etwas sprunghafter und dynamischer, aber mindestens genauso ausschweifend. Die Band war sogar schon auf einem Vision-Sampler vertreten und verkörpert mit über 1000 Facebook-Likes den zumindest statistisch gesehenen, prominentesten Vertreter dieses Beitrags.
Den meisten dürfte das Bielefelder Trio Krawehl wohl eher durch ihre gemeinsame Split mit Willy Fog in den Köpfen hängen geblieben sein. Damit schafften sie immerhin den Sprung in die Release-Liste von Lala Schallplatten und musikalisch in die goldene Mitte der Labelsprösslinge Käfer K, Jan.tenner, Jimmy Kafka und eben auch Willy Fog. Post-Punk und angerauter Emo, der sich bis an die Grenze zum Post-Hardcore vorwagt und die Nähe zum mittleren Westen sucht. Und wer weiß, ob der Song "100kiloschmerz" ihrer Debüt-EP "Aus der Geschichte kommt keiner raus", die auf 150 CDr's und 50 handnummerierte Tapes jeweils mit A4-Textblatt gebannt wurde, nicht schon eine böse Vorahnung auf das in diesem Jahr besiegelte Aus des Schwelmer Labels 100kiloherz war. Vom Titel her, als auch von der Grundstimmung des Songs, dürfte es jedenfalls im Kern das wiederspiegeln, was Benja und Pia wohl gefühlt haben müssen, als sie Ende Februar die Türen zu ihrem Label endgültig verschlossen. Auch wenn Krawehl's letztes Release fast schon drei Jahre zurückliegt, muss man die Band nicht zwangsläufig abschreiben. Derzeit konzentrieren sie sich mehr auf's Touren, wo sie im Mai den Städten Halle/S. und Frankfurt a. M. einen Besuch abstatten und auf der Strecke dazwischen noch gerne einen Zwischenstopp einlegen würden. Wer Vorschläge hat, darf diese gerne mit Mail an Krawehl@lala-schallplatten.de oder PN über Facebook unterbreiten.
Frankreich und Deutschland, ausnahmsweise mal keine Geschichte voller Missverständnisse. Und das nicht nur, weil in regelmäßigen Abständen auch immer wieder französische Bands auf unserem Blog breit getreten werden. Das Quintett Youth Avoiders beschäftigt neben vier Parisern nämlich auch einen Deutschen. Um euch ein Bild davon zu machen, wie gut das funktioniert, könnt ihr euch über Bandcamp die komplette Diskografie der Band gegen Spende saugen, darunter auch ihr letztjährig erschienenes, selbstbetiteltes Debüt-Album. Darauf untermauern Youth Avoiders nochmal eindrucksvoll ihre außergewöhnliche und individuelle Herangehensweise an den Hardcore-Punk, die sie auch unter tausenden Bands noch herausstechen lässt. Aus den elf eingängigen Nummern, die permanent von echauffierten Geschreie begleitet werden, stechen vor allem die immer wieder einspringenden Westerntwangs heraus, am auffälligtsen vielleicht im Song "Snake Charmer". Der Opener "Cold Mines" und "Affliction" bieten gar der "Casio-Orgel" eine Lobby, während "Casting Lots" mit einem frivolen Marsch ausklingt und der letzte Song "Oil Slick" durch seine Punk-Chöre hängen bleibt. "Grit Your Teeth" und "Control" bringen gar Single-Charakter mit sich. Fazit: Blöder Amiga-Game-Bandname, Hammer-Album. Kaufen!
Der frühere Punk der Pixies, gepaart mit dem emotionsgeladenen Rock älterer Brand New. Ihr feines Gespür für tolle Melodien haben sie von beiden Bands gleichermaßen absorbiert. So schlicht und schnell könnte man die noch junge Band Soda Bomb aus Long Island beschreiben. Dass allerdings wesentlich mehr Potential in der Band steckt, als das zusammenschmeißen ihrer Einflüsse, hat auch Derrick Shanholtzer-Dvorak erkannt, der Soda Bomb nicht nur als Support für seine Band TWIABP&IANLATD mit auf Tour nahm, sondern sie mit ihrer neuen EP "The Future is Gonna Suck" auch gleich mal auf seinem Label Broken World Media unterbrachte. Neben Lo-fi-Punk und Garage, offenbart die Band darauf auch ihr Faible für überraschend kurzweilig plänkelnde Gitarren, und auf der sie sogar einen Song wie "Soft Grunge" buchstäblich zum Programm machen. Kaum vorstellbar, was da noch alles möglich wäre, sollte die Band zur Aufnahme ihrer Songs mal in ein richtiges Studio besuchen.
Posture & the Grizzly ist ein Nebenprojekt von Mitgliedern der Band One Hundred Year Ocean, die sich widerum ebenfalls "nur" als Nebenprojekt aus TWIABP&IANLATD herauskristallisiert hat. Wie bereits ihre Demo-EP "Calling All Creeps (...)", die auf pissgelbes Tape gebannt wurde, erschien kürzlich und vorerst nur digital auch ihr erster Longplayer "Busch Hymns" über Broken World Media, womit sich der Kreis um Mittelpunkt Derrick Shanholtzer-Dvorak schließt.Und auch wenn die Diskografie des Art-Designers, Produzenten, Songschreibers, Sängers, Gitarristen und Trommlers mittlerweile nur noch schwer nachzuverfolgen ist, resultiert sein neues Projekt nicht aus überhasteter Torschlusspanik. Mit Posture & the Grizzly darf es nun auch wieder etwas dynamischer zur Sache gehen. Weg vom plänkelnden und ausbrechenden Emocore, hin zum anfänglichen Punk früherer Jugendtage. Die acht Songs auf "Busch Hymns" sind ungestüm und "catchy" zugleich und bilden somit das perfekte Bindemittel zu J Nasty's rauhen, kratzigen Gesang, der vor den Aufnahmen anscheinend viel Gainesville-Luft eingeatmet hat. Im Ganzen zu emotional für klassischen Punkrock und zu roh und kantig, um Pop-Punk-Jünger verzücken zu können, obwohl ihre inhaltliche Direktheit stark an frühere Blink oder gar an die Bloodhound Gang erinnern.
Together sind sicher nicht mehr der Geheimtipp schlechthin. Dafür trug die Aschaffenburger Band in den letzten Jahren selbst Sorge, indem sie sich durch fleißiges Touren durch ganz Europa regelrecht den Arsch aufriss - und die der Hörerschaft am besten gleich mit. Höhepunkt dürfte wohl die gemeinsame Minitour 2011 durch Deutschland mit Defeater und More Than Life darstellen, die ihre Supportbands sicherlich auch nicht im Blind-Dart-Verfahren auserwählen. Schließlich wird Together seit ihrem 2010er Double-Seven-Inch-Release "The Odyssey" ja auch eine musikalische Nähe zu beiden Bands attestiert. Damit haben sie scheinbar auch Jay Mass, Gitarrist und zweite Stimme von Defeater, beeindrucken können, der sich gleich mal eigenhändig um's Mastering ihrer dritten EP "-Prologue-" kümmerte. Nun war "-Prologue-" aber ausgerechnet die EP, die Together ein Stück weit weg vom eng beräumten, sperrigen Hardcore und hin zum omnipräsenten Rock lotste. Was dies für das erste Album der Band bedeuten sollte, konnte man zwar erahnen, das Ausmaß dürfte aber dennoch den einen oder anderen überrascht, vielleicht sogar kalt erwischt haben. "Of Life and Love and Some Things in Between" klingt zunächst einmal so, wie die beiden Cover der "Odyssey"- und "-Prologue-"-EP nebeneinander gelegt wirken. Nämlich nach altehrwürdigen Heavy-Stoner-Rock und jugendlich frischen, aggressiven Melodic Hardcore. Bereits in "Youth", dem regulären Opener des Albums, rollen zu Beginn die tiefgestimmten Gitarren genauso haltlos wie die entwurzelten Wüstenbüsche, ehe das echauffierte Geschreie den Song in die Spur des Modern Hardcore treibt. Das darauffolgende "To the Beautiful Ones" entführt mit aufheulenden Gitarren gar in den Orient, während das schrammelige "Generation Y" die Band von ihrer ebenfalls ansehnlichen, uneingängigen Seite zeigt. Damit machen Together zu Zeiten, wo Stoner scheinbar das neue "Back to the Roots" symbolisiert, alles richtig. "The Sharktown Boys Reign" setzt da sogar noch einen drauf und reitet nicht nur selbstbewusst durch die Prärie, sondern mit Schmackes durch den Rock'n'Roll. Die Hit-Single platzieren Together dann an neunter Stelle, um noch mal ordentlich für den Schlussspurt einzuheißen.
Es ist schwer, alle Einflüsse der Band auf "OLALASTIB" zu benennen, ohne den Hörer bereits vor einem ersten Hörversuch abzuschrecken. Hört selbst - und kniet nieder!
So ein Ehemaligen-Klassentreffen ist schon ein sonderbares Ereignis, dem man im schlimmsten Fall mit viel zu hohen Erwartungen entgegenfiebert, und bei dem man bestenfalls seine jugendlichen Mitstreiter genau so wiedertrifft, wie sie einem über all die Jahre in Erinnerung geblieben sind. "Der hat aber 'ne Plauze gekriegt, dafür 'ne umso dünnere Haartracht."; "Ach?! Bist' also schon verheiratet. Schon zwei Kinder? Mit der?!"; "Und du? Gelst dir die Haare immer noch zum Sonic-Style, wie ich sehe. Und das Hemd trägst du auch immer noch offen über das in die Hose gesteckte T-Shirt. Steht dir!".
Damals auf der Hamburger Schule verkehrten Zehn Meter Feldweg sicherlich viel mit Blumfeld und den "Coolen von der Schule", die zwei Jahre später eingeschulten Kettcar, um den Anschluss an die breite Masse nicht zu verlieren. Mit ihren heimlichen besten Freunden, die nerdigen Tocotronic, hingen sie wahrscheinlich nur in den eigenen vier Wänden oder im ranzigen Jugendklub ab, um sich mit ihnen dort den - zu Hochdeutsch - ordinären Sachen zu widmen, für die man vom Rest belächelt oder gar schief angeguckt worden wäre. Seine Kindheit soll man sich halt so lange wie möglich im Herzen bewahren, wusste nicht nur Erich Kästner, und so legten Zehn Meter Feldweg im Jahr 2007 mit "Phantom Power" eine adoleszent verspielte als auch tiefgründige Reifeprüfung ab.
Sieben Jahre später, nachdem sich die sechs Hamburger mit ihrer "Schwarzer Fluss"-EP kurz vorher anmeldeten, trifft sich die ehemalige Klasse nun also wieder. Tocotronic haben sich inzwischen zu gemachten Männern gemausert und Kettcar sind immer noch die gleichen Spießer wie damals. Man redet viel über Blumfeld und wie schön es doch wäre, würden diese heute noch unter uns weilen. Jetzt auch damit anzufangen, über jugendlichen Leichtsinn zu sinieren, würde eh nichts bringen, angesichts der Tatsache, dass alle Anwesenden ein ganzes Stück weit erwachsener geworden sind.
Nach sieben Jahren Abstinenz haben Zehn Meter Feldweg mit "Das weiße Schloss" ein neues Album veröffentlicht, das als limitierte Digipak-CD (inkl. Tribute-Cover-CD) und als 180g schweres Vinyl (inkl. DLC) erscheint. Die darauf enthaltenen zehn neuen Songs (zwei davon waren bereits auf der Vorab-EP "Schwarzer Fluss" vertreten) ähneln vielmehr tiefgründigen Geschichten, als aufgelockerten und trotzigen Indierocksongs, wobei Sven Lewerentz' mit seiner sonoren Stimme gar nicht erst großartig versucht, sich von Jochen Distelmeyer's Gesang abzuheben. Aber auch wenn auf ihrem neuen Album nun viele Ecken rund geschliffen wurden, herrscht im "weißen Schloss" alles andere als eitel Sonnenschein, was nicht nur zuletzt durch die impulsante Trompete und die kontrahierenden Arrangements zum Ausdruck kommt, die die eigentlich von Grund auf harmonischen Songs immer wieder auflaufen lassen. Vieles ist hier eben nicht das, wonach es den ersten Anschein nach klingt. Weder Indie-Pop-Geschmalze, noch der rotzige Indie-Punk vergangener Tage. Eine Reifeprüfung - für den Hörer.
Das Cover deutet es ja bereits an, dass es hier mitunter wieder mal etwas seltsamer ablaufen könnte. Setzt man nun noch den LP-Titel vor dem Bandnamen und gibt beides in einem Übersetzungstool ein, spuckt dieses die deutschen Wörter "ohne Schamgefühl" aus. Ob genau das die Intention der mittlerweile schon wieder aufgelösten Band war, bleibt ihr Geheimnis. In jedem Fall aber, spiegelt es die musikalische Willkür auf dem Debüt-Mini-Album des französischen Trios wider. Dabei kommt die Band aus Poitiers größtenteils instrumental aus. Wenn denn mal Gesang ertönt, schleicht er sich schüchtern und dissonant in die Strophe, wie im zweiten Song "6 pieds...". Den Rest erledigen zwei gegeneinander spielende Gitarren und ein Schlagzeug, das um etwas Ordnung bemüht ist. Der Opener "Sans mot-dire" ist demzufolge ein frickeliger Mathrocker. Auch "Revers" beginnt mit äußerst nervösen Fingern, flacht zur Mitte hin aber plötzlich harmonisch ab und gewährt dem Saxofon seinen großen Auftritt. Das folgende, hook-lastige "Rien" probiert sich gar in Smooth-Jazz, ehe die beiden Gitarren zum Ende hin versuchen eine Wand aufzubauen, der ohne den fehlenden Bass allerdings das nötige Fundament fehlt, während "France á fric" lediglich nur deshalb am leicht verdaulichen Indierock scheitert, weil die Beteiligten zum Schluss ihrem Noise-Tourette-Syndrom unterliegen.
Keine Musik für Zwischendurch, aber eben auch kein musikalisches Kauderwelsch, auch wenn das für ungeübte Ohren sicherlich schwer nachzuvollziehen ist.
"Sans" wurde auf schwarzes Vinyl gepresst und im Pappschuber abgeparkt, welches zusätzlich noch ein Textblatt und eine CDr-Version des Minialbums enthält.
Old Gray sind heute, The World is a Beautiful Place & I am No Longer Afraid to Die und One Hundred Year Ocean waren gestern - und Sofx waren irgendwann davor. Vielleicht hat Derrick Shanholtzer-Dvorak einfach bloß Angst, irgendetwas zu verpassen. Gemeinsam mit den Screamo-Softies von The Book Slave , schien er jedenfalls mit seiner zwischenzeitlichen Nebenband Sofx auch die Lizenz zum Freidrehen bekommen zu haben. Wickelte Shanholtzer mit OHYO seine bitterbösen Texte noch in eine flauschige Wolldecke ein, arten die vier Songs der 2010er-Debüt-EP "Besides Rarities" nun auch instrumental aus. Auf inbrünstigem Geschreie, surfen atonale und spontane Gitarren in bester Paper-Chase-Manier entgegen der Welle, während das Schlagzeug wie ein Rudel Blechdosen am Auto befestigt kreuz und quer scheppert. Keine Ahnung, ob das nun rumpeliger Hardcore-Punk oder noisiger Post-Hardcore ist. In jedem Fall aber ist es ein weiterer schwer definierbarer und somit extravaganter Eintrag in Shanholtzers vielseitiger Diskografie.
"Besides Rarities" erschien in einer streng limitierten Auflage von 50 Tapes und dürfte nur noch mit sehr viel Glück in irgendeiner Flohmarktkiste gefunden werden. Auf Shanholtzer's Soundcloud-Seite gibt's die EP als Gratis-Download.
2011 sollte eigentlich die zweite EP "Faith Void Split" folgen, zu der ich allerdings keine Informationen finden konnte.