Ein fieses Gebräu aus Hardcore-Punk und Crust servieren uns die vier Jungs von Grey Walls mit ihrer selbst-betitelten Debüt-EP. Kommt der Opener "Honset Self-Deception" zunächst noch träge aus dem Downtempo-Hardcore gekrochen, geht's mit "Hirnmoloch" direkt ins Moshpit. Und bevor im treffend betitelten "Heute spucken wir Zähne" gehörig die Powerviolence-Keule geschwungen wird, gönnt sich das vorherige "Hunger Iss dich auf" noch ein paar einleitende, surfige Delay-Gitarren.
Das krächzende Gebrülle lässt nur erahnen, gegen wen oder über was sich die Landauer hier echauffieren. Leider bietet Bandcamp keine Lyrics zu den Songs. Ein Blick auf die Internetseiten der Band könnte da aber schon eine gewisse Richtung weisen. Vielleicht ist es aber auch bloß ein kaum gesprochener Bergdialekt.
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DL & Buy "Grey Walls"
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Black Jump - -X-
Mit Referenzen ist das ja immer so eine Sache: jede/r hört etwas anderes heraus. So wäre der ohnehin seit jeher labile
Craig Nicholls an dem, anfangs von den Medien zugesprochenem, Erbe
Kurt Cobains beinahe vollständig zerbrochen. Und nun soll der nächste große Grunge-Wurf ausgerechnet aus Deutschland kommen?! Zugegeben,
Black Jump's Label-Album "
Marching" war schon ein störrisches Hitmonster, angeführt von den zeitlosen "D.N.D." und "Stolen Identity", obwohl ich für meinen Teil dann doch eher Parallelen zu Bands wie
The Vines,
Cloud Nothings oder
Union Youth höre. Egal, die Vorschusslorbeeren für ihr Folge-Werk hatten sie damit jedenfalls geerntet. Um so erstaunlicher ist es, dass sie die EP #2 fast komplett in Eigenregie produzierten und veröffentlichten. "-X-" wirkt im Vergleich zum Vorgänger wie ein zynischer Abgesang auf das Leben im Rampenlicht. Die rohere Produktion, die unmissverständlichen Songtitel ("Volkstod", "Need No Cops, Need No State"), die genretypischen Sample-Einleitungen und das unverkrampfte Songwriting fernab der mainstreamigen Erwartungshaltungen, katapultieren die drei Marburger unweigerlich in den Untergrund zurück. Abgesehen vom melancholischen Ohrwurm "Polygamy", verpassten
Black Jump den übrigen fünf Songs ohnehin einen gehörigen Metalcore/Nu Metal-Anstrich, vielleicht auch, um die Vorschusslorbeeren wieder zurück zu geben und einen Neuanfang zu wagen.
Als Bonus gibt's noch vier Live-Songs oben drauf, die sich hervorragend in die rohe Proberaumästhetik von "-X-" eingliedern.
DL & Buy "-X-"
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Kraene - Kraene EP
Das Debüt- und bislang einzige Release von Kraene ist hier eigentlich in zweierlei Hinsicht ziemlich fehl am Platz. Zum Einen, weil ihre selbstbetitelte EP bereits 2013 erschien. Zum Anderen, weil das Leipziger Quartett tief im instrumentalen Post-Rock verwurzelt ist und den (Post-)Hardcore, wenn überhaupt, nur minimal tangieren. Ist mir aber egal, ich haue es trotzdem ins Bandcamp-Volumen.
"Kraene" ist ein stoisches und doch sehr facettenreiches Werk. Die fünf Songs führen bedächtig durch epische Soundscapes. Der über alles liegende, melancholische Schleier wird durch sanfte aber auch düster-vernebelte Geigen- und Synthie-Einsätze untermalt. Zudem verstärken beigemischte Originaltöne (u. A. aus den Filmen "Absolute Giganten" und "Into The Wild") die fragilen Songstrukturen. Schwer zu leugnen also, dass
Godspeed You! Black Emporer für die eine oder andere Idee Pate standen, auch wenn sich das Geschehen der
Kraene in weitaus finsteren Gefilden abspielt.
Und wer noch immer hartnäckig nach dem Hardcore-Bezug, muss sich schon fast 30 Minuten gedulden, denn am Ende des krönenden Closers "Alles im Jetzt" lässt Gitarrist
Martin die EP mit ein paar Schreien ausklingen.
Nachdem die Band seit ihrer Gründung gefühlt jedes Jahr ihr Aus beschloss, scheint es 2019 nun doch endgültig besiegelt zu sein. Folge-Projekte der Mitglieder sind u. A.
Jeffk,
No King. No Crown,
Lotta Sleeps,
Mate Meo und
Paulinchen Brennt.
DL "Kraene EP"
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kraenebooking@gmx.de
Unfaded - Work/Life Balance
Unfaded existieren nun auch schon über fünf Jahre und rückblickend lässt sich sicherlich feststellen, dass der Göttinger Vierer sowohl die Licht- als auch Schattenseiten des Banddaseins kennen gelernt hat. Zum letzteren zählt sicher auch, wenn man sich mit dem eigenen Sound nicht mehr so recht identifizieren kann. Doch wo andere das Handtuch werfen oder voreilig in neue Projekte flüchten, gehen
Unfaded ungeniert offen mit dem Thema um, verwischen die digitalen Spuren ihrer bisherigen EP's "Somewhere In Between" und "Tape '17" und holen mit einem neuen Sänger in eine andere Richtung aus. Diesem wird nachgesagt, dass er etwas irre ist und Klöße mag. Zum Glück bleibt dem neuen Mann hinterm Mikro für ihre dritte - oder quasi auch Debüt - EP "Work/Life Balance" ein solcher nicht im Halse stecken, denn die fünf darauf enthaltenen Songs strecken den lyrischen Mittelfinger gen gesellschaftlichen Miszstand und Diskriminierung. Ein Umstand, der inmitten ihres kathartischen Genre-Mixes aus Hardcore-Punk und Old-School-Hardcore leicht überhört werden könnte. Zusätzliche Rückendeckung gab's aus der regionalen Szene von den
Swoon- und
The Cold Shoulder-Sängern
Eric und
Dennis, was das insgesamt recht eingängige EP-Konstrukt etwas auflockert.
DL "Work/Life Balance"
Falls - One Hundred Percent Strong
Ich weiß nicht so genau, ob
F A L L S
zu spät oder genau zur richtigen Zeit in Erscheinung treten. Ihre
bislang letzte EP "One Hundred Percent Strong" (2017) ist ein freakiges
Biest aus Alternative und Party-Hardcore, irgendwo in der Schnittmenge
von
Pulled Apart By Horses und
Test Icicles.
Wer der Trennung letztgenannter immer noch nachtrauert, findet im
walisischen Quartett vielleicht einen passenden Trost. Die vier Songs
strotzen nur so vor Dynamik, birgen mit routinierten Breaks und
Rhythmuswechseln eine Menge Abwechslung und bieten wegen des polyphonen
(Schrei-)Gesangs eine enorme Vielfalt. Und auch, wenn dabei die
musikalische Willkür aus
Martin Gallagher's (Git., Vox) und
Ben Griffiths' (Bass, Vox) Pre-Band
Stokoz To Moscow unüberhörbar mitschwingt, bleiben im Kern die gut gelaunten und schwungvollen Melodien erhalten.
"One
Hundred Percent Strong" gibt's geschenkt über Bandcamp. Die restlichen
digitalen EP's und Singles kosten euch eine Newsletter-Anmeldung bei
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DL "One Hundred Percent Strong"
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Here
Futbolín - Shy Guys, Malmo Days
Mit
Futbolín bleiben wir gleich mal beim Glamour-Math, verlagern das Rumgezappel aber von der Britischen Insel in die Stadt der Liebenden. Das 2015 gegründete Trio debütierte noch im selben Jahr mit ihrer selbstbetitelten EP und legte Anfang 2018 ihre zweite und bislang letzte EP "Shy Guys, Malmo Days" nach, deren knallbuntes Pop-Art-Cover nun auch auf 10"-Format zu bewundern ist.
Giordano,
Giacomo und
Nicola, die sich aus der italienischen DIY-Szene um Bands wie
Farglow und
N[i]ebo zusammen gefunden haben, drehen ihre recht kurzen Songs dermaßen durch den Rhythmuswolf, dass man nach den erlebten elf Minuten entweder einem Synapsenkollaps erlegen ist oder zumindest seine Gliedmaßen wieder entknoten muss. Ein frickeliges Abenteuer, das mit dezenten Twinkle-Gitarren, etwas Midwest-Emo-Melancholie und einem gestörten Keyboard ehemalige Fans von
What Price, Wonderland?,
The Mae Shi und
Help She Can't Swim gleichermaßen beglücken kann. Und weil den drei Italienern ihre Überdosis Wahnsinn scheinbar noch nicht genug ist, holten sie sich für "Filters" auch noch gesangliche Unterstützung ihrer Kollegen
Shit Kids Galore und
Flag Of Estonia.
Krasses Teil, sollte sich jede_r musikalische Chaot_in schleunigst zulegen!
DL "Shy Guys, Malmo Days"
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Here
60659-c - The Next Part Is A Blur
Eigentlich wollte ich ja nicht mehr über Emo-/Screamoviolence schreiben... . Eine bereits jahrelang anhaltende Flut aus (meiner Sicht) oft gleich klingenden Bands, denen stets (zu Recht) die selben Referenzbands wie
Orchid,
Raein oder
Louise Cyphre anhaften. Und ist man in diesem Kuddelmuddel dann doch irgendwie mit einem Ohr an einem Vertreter hängen geblieben, löst sich die Band nach einem kurzen Gastauftritt auch schon wieder auf und verteilt sich auf zig andere neue (gleich klingende) Projekte. Auch die vier Amis von 60659-c waren bereits sehr umtriebig (u. A.
Caust,
Yusuke,
Gas Up Yr Hearse!) und kannten sich sogar aus einigen Vor-Projekten (u. A.
Kaoru Nagisa,
gif. from god,
Ostraca). Wisst ihr also, was euch auf der 2017er Debüt- und vermutlich auch letzten EP "The Next Part Is A Blur" blüht: heftiges Riff-Geschreddere mit intensiven Kreischorgien im Fahrwasser von ... nein, das lasser wir lieber. Dennoch offenbart dieser kurze, kathartische Blizzard (10 Songs in knapp 7 Minuten) einige Raffinessen, die den eingängigen und brutalen Sound immer wieder unberechenbar ausbremsen.
Die EP kommt als Tape in den vier verschiedenen Label-Versionen.
DL "The Next Part Is A Blur"
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Here &
Here
Portrëit - Dëmo
Hätte ich mir vor Kurzem nicht den Backkatalog für eine Sammelbestellung über Dingleberry Records geben lassen, wäre ich wohl nie über die Gießener Band Portrëit gestolpert. Ihre Debüt-EP "Dëmo" liegt nun auch schon geschlagene zwei Jahre zurück und live stellt sich das Quartett eher als kurzfristiger Lückenfüller zur Verfügung, als eifrig durch die Lande zu ziehen. Klar, ohne Kohle ist die DIY-Band eben auf Mundpropaganda und kleinen Zine-Reviews angewiesen, um vielleicht mal über die hessischen Grenzen hinaus Gehör zu finden. Dass Portrëit, bei denen ex-Stand der Dinge- und Love Channel-Gitarrist Dirk und ex-Faltre- und Knife Trade-Drummer Timo mitmischen, auch noch eine musikalische Nische zwischen Screamo, Emoviolence und Post-Hardcore besetzen, dürfte den Massenandrang an Hörlustigen nicht unbedingt fördern. Dennoch passt der Begriff Lückenfüller, so negativ er auch behaftet sein mag, recht gut zu der Band. Mit stoischen Intros und Outros, hektischen Eruptionen, melancholischen wie melodiös-scharfen Gitarren und leidendem Geschreie, sind Portrëit die Ruhe vor dem Sturm und der erschöpfende Anheizer zugleich.
Dispassionate - Self_Distortion
Um die Bezeichnung Nischen kommt man auch bei der Band Dispassionate nicht herum, denn das Quartett aus Konz bewegt sich mit seinem Sound fernab von dem, was man herkömmlich nennt. Die rheinland-pfälzische Band wird oft mit dem Begriff Screamo angekündigt, was angesichts des eröffnenden Titeltracks und des Instrumentalstückes "Cut These Threads" auch nicht vollkommen an der Realität vorbei ist, dem gemeinen Fan am Ende des Durchlaufs ihrer zweiten EP "Self_Distortion" aber durchaus etwas verstört zurück lassen könnte. Der einleitende islamische Gesang des Openers oder das noisig-fragile Interlude "pg.19", stellen dabei sicherlich noch die kalkulierbarsten Ausreißer dar. Vor allem die Stücke "Der Effekt ist..", "Ladies and Gentlemen.." und "Es war schön..." breiten ihren düster-harschen Sound vielmehr in Bereiche des Blackened Crust oder Post-Hardcores, vielleicht auch des Hardcore-Punks, aus. Das ist jedenfalls ein Mix, der mir nicht alle Tage unter die Ohren kommt, verstörend und doch irgendwie auch wohlwollend vertraut in die Gliedmaßen rutscht.
BURT - Generell fick dich EP
"Generell fick dich" ist ja schon mal eine grundsolide Ansage. Was anderes ist man von den Saarbrücker Powerviolencern BURT aber auch gar nicht gewohnt. Auf ihrer mittlerweile - wenn ich richtig gezählt habe - achten EP, fegt das Quartett durch pfeilschnellen Hardcore- und Trash-Punk oder wühlt sich durch schleppende Powerviolence-Passagen. Was soll ich schon großartig schreiben? Da hat sich seit ihrer Bandgründung 2008 nicht wirklich viel dran geändert. BURT bringen mich dazu, einen vertrauten und vergessen geglaubten Gedanken an das Gute in den Menschen hochzuwürgen. Ein treuer Freund an der Seite, mit ehrlichen wie direkten Ansagen ohne anbiederndes Geschwafel und Geplänkel. Nihil Baxter sind tot. Alarmstufe Gerd sowieso. Battra// - tot. Henry Fonda haben erst kürzlich das Handtuch geworfen. Nur BURT machen einfach immer weiter - und das hoffentlich noch viele Jahre.
Leider habe ich das Tape-Release zu "Generell fick dich" verpasst. Über einige kollaborierende Labels - darunter Sengaja Records, Puzzle Records, Hackebeil Records und Knochentapes - soll demnächst aber die 7inch-Version nachgereicht werden.
DL "Generell fick dich EP" Here & Here
In der Kürze liegt die Würze
Und ehe man sich verhört, haben sie auch schon wieder ein neues Projekt am Laufen. Hinter
We Are On Fire verbergen sich die beiden
Kinderzimmer Recordings-Köpfe
Lela und
Nico Beqović. Wer sich früher seine tägliche Dosis an nordischen Screamo beim ehemaligen Label
mum says; be polite rec. abgeholt hat, der weiß also, dass hier der ex-
Manku Kapak-,
Mira-,
fljora- und
Cetacea-Gitarrist und die
Mira-Drummerin ihre Hände und Stimmen im Spiel haben. Mit "Underneath The Sun" steht derzeit lediglich ein (kurzer) Song zu Buche, der die Marschrichtung für die diesjährig angekündigte 12" aber schon mal gut vorweg nehmen dürfte: 90er-Jahre-Emo(-Core) der analogeren Art. Wir sind gespannt.
Ihr 2013er Debüt-Album "
Die Menge macht das Gift" war schon ein ziemlich überraschender Bastard aus New Wave, Post- und Hardcore-Punk und bot all das, was man sich von einer 80er-Jahre-Punk-Reunion wünschen würde. Dass sich
Radio Schizo für den
Plastic Bomb-Compilation-Song "
Hassbad" mit
Andreas Löhr (
Chaos Z,
Fliehende Stürme) zusammen taten und überraschend auf dem Debüt-Album der von
Max Rieger inszenierten Band
Die Selektion mit dem Cover-Song "
Du Rennst" vertreten waren, rundet diesen ersten Eindruck natürlich ab.
Mit der Ende letzten Jahres erschienenen, digitalen Single "Chatbot/Abschied", die live aufgenommen und deren Session in einem Video festgehalten wurde (siehe
HIER), hat das Berliner Quartett seine Hörerschaft zwar auf die lange Folter gespannt, ganz sicher aber nicht enttäuscht. Die beiden Songs entpuppen sich abermals als unberechenbare Grenzgänger mit nostalgischen Wehmutstropfen, die sowohl musikalisch als auch lyrisch mehr als nur ein Ohr abverlangen.