Biffy Clyro wurden einst nachgesagt, sie hätten mit ihrem Album "Infinity Land" eine neue Dimension des Emocores erschaffen. Nun, den Spalt zu dieser Dimension haben die vier Marburger anscheinend auch gefunden. Ihre Debüt-EP "Putting the Pieces Together" fand lobpreisende Resonanz und angelte sich zielsicher die Krone des
Demos des Monats 06/2005 in der
Visions. Wenngleich
Biffy Clyro auch noch in einer anderen Liga spielten/spielen, die Parallelen waren nicht zu überhören. Ihr treibender Emo wagt immer wieder Seitensprünge in den Post- und Indierock. Nicht selten verlaufen die Songs unerwartet in vollkommen andere Richtungen, ändern Melodie und Tempo, was besonders dieser verdammte Übersong "White Butterflies Pay Tribute" eindrucksvoll unter Beweis stellt. Natürlich werden mit kitschigen Arrangements auch mal einige Klischees bedient, da muss man als Emoband und -hörer nunmal durch. Alles erlaubt, solange die Band für sich weiß, was sie will. Oder besser, was sie nicht will. Nämlich hysterische, pubertäre Mädchen zum kreischen bringen oder Feurzeugromantik. Lieber ab ins Moshpit und einmal mehr den unverhoft einsetzenden Taktwechseln in die Falle tappen. Über das überschaubare Label
Roadmovie-Productions erschien auch der erste Longplayer "The End Begins Tomorrow", auf dem die Band weiterhin ihre eigene Philosophie auslebt. Das nur ein kleiner Geldbeutel zur Verfügung stand, macht sich nicht nur in der live eingespielten Instrumentierung, sondern vor allem beim rohen Geschrei und
Tobi Mösch' ungefiltertem, nicht immer ganz treffsicherem Gesang, bemerkbar. Das ist weniger negativ gemeint, als das es der Band eine Menge Sympathiepunkte einheimst. Vor allem Letzteres sollte seit je größtes Markenzeichen der Band sein. Mit ihrem Wechsel zu
Papership Records eröffneten sich neue Möglichkeiten, die die Band auf ihrem zweiten Album "
Accidental Goals" (über Bandcamp kann man sich lediglich einige Songs gratis downloaden) jedoch nicht wirklich in originelle Ideen ummünzen konnte. "Accidental Goals" wirkt statisch, wenngleich auch immer noch losgelöst von jeglichen genretypischen Konventionen. Kein wirklich schlechtes Album, aber eben auch kein gutes.
2012 bei
Midsummer Records angekommen, erscheint ihr bislang letzter Output "
Places". Ihrem POST hängen die Jungs nun ein fettes HARDCORE hinten dran, ihre tiefsitzende Emotionalität spiegelt sich in düsterer Atmosphäre wider. Ein wichtiger und vielleicht auch richtiger Schritt vorwärts, auch wenn
AOP, meiner Meinung nach, die Naivität besser stand, als die Souveränität. In Deutschlands bekannter Hardcoreszene sind die Jungs jedenfalls angekommen, supporteten u. A. Größen wie
Taking Back Sunday,
Turbostaat,
Jupiter Jones und
Escapado und tourten regelmäßig mit nicht weniger ambitionierten Bands wie
Adolar,
Todd Anderson,
Urlaub in Polen und
The Gauss Experience.
Ebenfalls immer wieder gern gesehene Tourpartner sind
Thoughts Paint The Sky aus Essen. Ihre Freundschaft mit
AOP stellten sie nicht nur mit ihrer gemeinsamen, 2009 aufgenommenen Split unter Beweis, auch das Abschiedskonzert der Band am 28.09.2012 bestreiten sie zusammen. In ihrem herzzerreißendem Abschiedsbrief auf ihrer Homepage nennen die Jungs Arbeits- und Familienstress, Erfolglosigkeit und Internetpiraterie als Gründe für ihr Abtreten. Na klar, sowas trifft in erster Linie kleine Bands, die dann gezwungener Maßen aufgeben müssen, bevor das Herzblut zum existenziellen Ruin umschlägt. Bitter! Dabei war der akustische Screamo von
TPTS schon von Beginn an grundsolide und sympathisch, wenn auch nicht die ganz neue Idee. Aber unterhaltsam eben. Vier Alben, vier EP's, zwei Split's und diversen Remixzeug kann die Band seit ihrer Gründung im Jahre 2005 aufweisen. Ein würdiges Vermächtnis aus sieben arbeitsreichen Jahren.
Ganz aufhören wollen sie mit dem Musikmachen nicht. Sänger und Gitarrist
Daniel Senzek konnte man dieses Jahr bereits auf dem
Truelove-Release
"Lynch die Welt" der Band Kosslowski bestaunen. Wohin der Weg der anderen drei Bandmitglieder führen wird, bleibt abzuwarten. R.I.P.
TPTS. Und danke für sieben Jahre deutsche Hardcoreinnovation.
Mit
City Light Thief soll sich der Kreis hier schließen, denn diese spielten nicht nur mit
AOP und
TPTS einige gemeinsame Shows, sondern landeten letztlich ebenso im Hause
Midsummer Records. "
Laviin", das Debütalbum der fünf Nordrhein-Westfalen, ist bereits dermaßen komplex und vielschichtig, dass die Band nicht einmal selbst ihren Stil zu klassifizieren vermag, sondern das dem Musikmagazin
Empireart überließ: "Für Punk zu komplex, für Post-Core zu poppig, für Indie zu hart." Nun gut, jetzt wissen wir wenigstens, was die Musik von
CLT nicht ist. Obwohl man die Tags für sich, sicherlich so schon stehen lassen kann.
CLT verknüpfen diese auf eine dermaßen homogenen Art, dass es in der Tat etwas vollkomen Neues sein kann. Vielleicht ist es aber auch einfach bloß Alternative im Indiepelz? Jedenfalls haben die Jungs eine Menge toller Melodien im Petto, was vor allem am mehrstimmigen Gesang (mindestens einer schreit) liegt. Die beiden Alben gibt's bei
Midsummer. Über Bandcamp kann man sich die Single "Golden Roots" + Bonustrack und eine Acoustic-EP gratis downloaden. Hoffe, da kommt noch was.