Klar, wenn das raushauende Label einen Spruch wie "Deutschpunk Tape des Jahres" in den Raum wirft, muss das noch lange nichts heißen.
Uga Uga Tapes ist aber schließlich nicht irgend ein 08/15-Crossover-Mailorder, der Musik als Fließbandware für den Profit produziert. Der
Thommy (u. A. bei
Skankshot und
Loser Youth) kann sich schon durchaus ein objektives Bild von der Szene malen, immerhin ist Deutschpunk eines seiner Spezialgebiete. Und auch, wenn mir für derartige Thesen schlichtweg die weitreichenden Vergleiche fehlen, kann ich zumindest seine Begeisterung für
Schmutzstaffels ersten Longplayer "Fehler" teilen. Hinter dem Hannoveraner Quartett verbergen sich keine freigeistlichen Experimentalisten, keine Trendsetter, keine Post-Mitläufer. Für Veteranen vielleicht zu jung, aber immerhin an den richtigen Vorbildern orientiert, reizen die Niedersachsen die eng bemessenen Grenzen des Genres komplett aus. Im Wesentlichen muss sich die Band dabei nur auf ihr feines Gespür für treibende und mitgröltaugliche Melodien verlassen, inklusive
Kackschlacht- ("Kackland") und
...But Alive ("R.T.B.A.M.")-Coverversionen. Gewettert wird gegen Alles und Jeden, sogar die eigene Szene, und mit treffsicheren Crewshouts und einer gesunden Portion Aggressivität und Pissigkeit in eine Wir-sind-Viele-Mentalität verpackt. Passt und macht Spaß, obwohl es eigentlich gar keinen Grund zur Freude gibt.
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DL "Fehler"
Here &
Here
"Kopftuchpflicht für Nazis"? Na, das wäre doch mal was. Dann wäre die braune Brut wenigstens auch außerhalb von BraMM-, PE- oder LEGIDA-Agglomerationen nach außen hin erkennbar.
Der Titel ihrer neuen EP ist jedenfalls klar verständlich und gegenüber den ihres letzten Albums "
Heteroaufstand in Homotown" auch wesentlich besser gewählt. Seit 2006 geistert die Band durch den Berliner Untergrund, löste sich eben mal kurz auf (Studium-bedingter Umzug, Einstieg in andere Bands wie
Brüh Brothers in Flames), fand neu strukturiert wieder zusammen und brachte es bislang auf zwei Alben und zwei EP's. "Kopftuchpflicht für Nazis" lautet nun also der Titel ihres letzten Kurzspielers, auf dem das Trio einige bislang verfehlte Verpflichten nachholen muss. So liefert die Band mit dem eröffnenden Titeltrack standesgemäß und nicht ausschweifender als nötig ihren ersten offiziellen Anti-Nazi-Song ab, erweist
Cäpt'n Suurbier mit "Mach mich cool" die letze Ehre, verneigt sich mit "Angela M" hochachtungsvoll vor frühere
Ärzte und stecken
NOFX' "
Linoleum" in ein akustisches Deutschpunk-Gewand. Ein kurzweiliges Vergnügen, das allerdings nicht stellvertretend für den ansonsten straßen-räudigen Deutschpunk von
Cruor Hilla steht.
Mit diesen Jungs ist gar nicht gut Gurken essen. Hier kommt die Anti-Idylle, der Albtraum des guten Geschmacks, eine wilde Kanufahrt auf den piss-gelben Spreewälder Abwasserkanälen,
Lötfett aus Lübben. Doch anders als zunächst erwartet, knallt uns das Brandenburger Trio mit ihrem ersten Tape (100 Stück, erschienen über
Fleshbug) nicht nur solch rotzige Stampfer wie "Immer auf der Flucht vor der Drogensucht" um die Ohren. Klar, "esp3" läuft weitgehendst unter der zerfledderten Flagge des Assi-Punk, sorgt mit Psychobilly- und Noiserock-Hysterie, aber auch mit garagig-schrammelnden, in die Melodie gezerrten Gitarren für reichlich Abwechslung. Zumindest für mehr, als Bandname und -Foto es anfangs anders vermuten ließen.
Buy Here
Stockholm Syndrom
Hätten sie ihren damaligen Bandnamen behalten, wer weiß, vielleicht wären sie ja mittlerweile aufgrund von Verwechslungen mit einer
Band ähnlichen Namens hierzulande schon gefeierte Indiestars. Die Wiesbadener
Alex,
Timo und
Jan spielten vorher bei
vierquadratmeter, ehe sich die Band Ende 2010 auflöste und das Trio gemeinsam mit zwei Freunden quasi nahtlos in
Stockholm Syndrom übergingen. Einen Schritt weg vom "Laubenrock", einen zu auf den Post-Punk. Vor allem aber
Freter's rauhes, biertriefendes Organ verleiht den Songs ihrer Debüt-EP "Käpt'n ohne Schiff" eine ordentliche Deutschpunk-Kante, was durch das szenetypische Gesample im Intro ("Menschenfeind") und im folgenden "Occupy" ("Das Leben des Brian") nochmals unterstrichen wird. Pogotänzer sollten sich allerdings nicht zu früh freuen, denn die mäandernden und rhythmuswechselnden "Der letzte Schrei" und "Käpt'n ohne Schiff" zeigen eine Band, die sich zwischen der alteingesessenen und post-modernen Hörerschaft noch nicht so recht entscheiden mag. Im Zweifel wird halt alles abgeräumt.
Eine klarere Ansage trifft die mittlerweile zum Trio geschrumpfte und neu strukturierte Band da schon mit ihrer kürzlich veranstalteten "Proberaumsession".
DL Käpt'n ohne Schiff EP
DL Proberaum Session 2015
Les Dead Boobs
Ich habe keine Ahnung, was das französische Pendant zu Deutschpunk ist. Frankpunk vielleicht? Oder Frunk? Wir alle könnten in diesem Moment Teil etwas ganz Besonderem sein - der Entstehung einer neuen Genrebezeichnung. Wir könn's aber auch einfach sein lassen.
Les Dead Boobs kommen aus Saint-Maur nahe Paris, dem Zentrum des links-politischen Widerstands des Landes. Genau dieser Protest wird als roter Faden durch
Les Dead Boobs' Debüt-Album "Violence" gesponnen, das - wie der Name schon sagt - eine ziemlich radikale Einstellung transportiert. Hier ist die Faust das stärkste Argument gegen
Chirac,
Pasqua, Polizeistaat, Neureiche & Co. Wie sollte es auch anders sein?! Ein Song wie "Malik Oussekine", ein franz.-algerischer Student, der nach einer Demonstration im Polizeigewahrsam landete und dort unter fragwürdigen Umständen ums Leben kam, zeigt, dass die Franzosen mit den gleichen Problemen wie wir konfrontiert werden. Derartiger Zündstoff lässt die 14 Songs auf "Violence" regelrecht explodieren. Es ist ein aggressives, radikales und anarchistisches Album, das den schier unendlichen Straßenkampf ins Akustische überführt. Da lässt sich
Josh Louis Lingg (
Louis Lingg and the Bombs) natürlich nicht zweimal bitten, in zwei Songs ordentlich mitzumischen.
DL Violence LP
DL Tu Pues EP
Like You to Me
Die Jahrtausendwende war für mich eine sehr unbeschwerte Zeit, in der ich viel Zeit hatte unnütze Dinge zu tun. Amerikanische Teenie-Filme en masse zu gucken, beispielsweise, was nicht ganz spurlos an meine musikalische Prägung vorbei zog.
Blink-182,
New Found Glory, später
All Time Low, usw. Fun- bzw. Pop-Punk war cool und in aller Bandmunde, egal ob sich das dann in der Summe irgendwie alles gleich anhörte.
Like You to Me aus Maryland sind bekennende
NFG-Fans, was man jeden ihrer Drei-Akkorde-Songs anhören kann. Im Gegensatz zu ihren prominenten und wohl auch weitaus wohlhabenderen Vorbildern, verfügt das Quintett allerdings nur über ein begrenztes Budget. Dass man ihrem selbstbetitelten Debüt-Album und der letzten EP "Pressed for Times" diesen Umstand nicht anhören kann, verdient da schon einiges an Respekt. Führt also alles zu dem schlussendlichen Résumé: Fun-Punk in einer angemessenen Produktion, der sicherlich keine neuen Sichtweisen offenbart, aber immerhin einen nostalgischen Flashback beschert.
2014 löste sich die Band auf und hinterließ ihre komplette Diskografie (auch diverse Coversongs) kostenlos auf Bandcamp. Für das letzte Release erfüllte sich die Band noch eben ihren Herzenswunsch und konnte neben
Something More-Sänger
Tim Jagielski auch
NFG-Frontmann
Jordan Pundik als Gastsänger gewinnen.
Mit
Never Say Die schlummert bereits seit dem letzten Jahr ein Folgeprojekt in den Startlöchern. Bislang ohne Lebenszeichen.
DL Pressed for Times EP
BCGs
In Interviews gab
Robert Smith immer wieder an, die damaligen Aufnahmen zu "
Pornography" seien im Drogenrausch entstanden. Dennoch ist der weltbekannten Wave-Goth-Band mit diesem Album ein Meilenstein des Genres gelungen, ein Album zwischen fiebrigen Wahn und magischer Anziehungskraft, beeinflusst von Heroin und LSD. Ein derartiges Geständnis legte
BCGs-Sänger
Joel Zimmerman (nicht zu verwechseln mit dem kanadischen Musik-Produzenten
deadmau5) zwar noch nicht ab, allerdings schafft auch er es, allein mit seiner Stimme die Grenzen des Erträglichen auszuloten. Klar, mit
BCGs haben sich hier insgesamt vier Typen verbündet, die in der Summe wie eine wilde und hysterische Jam-Session von
the pAper chAse,
The Cure,
Mansun und
The Rocky Horror Picture Show klingen. Wer ein Ohr für derartige Musik hat, erkennt aber auch, dass hier eben keine Stümper zu Werke gehen. Hier treffen post-punkige Melodien auf satte Riffs, aufheulende Gitarren und eine Orgel, die den Freigeist des Rock'n'Roll eingeatmet haben.
BCGs sind eine Band, die sehr wohl um ihre Fähigkeiten wissen, dem Mainstream aber eiskalt den Rücken zu drehen. Weil sie es können.
DL s/t EP
Stream & Buy Digitally "Angel Lust EP"
Gesamtscheiße: Scheiße
Ihr auf 111 Stück limitiertes Demotape war schneller ausverkauft, als man den Bandnamen überhaupt ausprechen konnte. Der Verdacht liegt also durchaus nahe, dass sich
Gesamtscheiße: Scheiße zu einem Geheimtipp der Deutschpunkszene gemausert haben. Was also tun? Na klar, nachlegen und am besten gar nicht so viel anders machen. Ist ja auch gar nicht nötig, denn stilistisch gesehen räumt der Vierer aus Köln/Düsseldorf/Duisburg (Glückwunsch zum Aufstieg) zwischen Deutsch-, Hardcore- und Post-Punk ohnehin alles ab. So poltert "Aldo Raine bitte übernehmen sie" herrlich angepisst und prollig durch eine eingängige Melodie, dem "Späte Freiheit" im Eiltempo hinterher rauscht. "Viva La Autobahn" und "They Saved Hoffmanns Cock" hingegen, fordern die 90er zum post-dynamischen Pogo-Tanz auf und schließen somit die Lücke zwischen
Rachut und Ziehbands wie
Hausmeister,
N°ORD oder
I Refuse.
DL s/t 7"
Here &
Here
Buy
Here,
Here,
Here,
Here,
Here,
Here &
Here
Ultragash
San Diego? Da sollten bei jedem Trasher sofort die Alarmglocken leuten. Die autarken
Ultragash wurden bislang noch nicht von
ThreeOneG eingefangen, könnten sich aber durchaus als eine Alternative für deren Anhänger outen. Mit Gruppen wie
Bastard Noise oder
Ill Saint M hat das renomierte und von
Justin Pearson geführte Trash-Label immerhin schon seine eigenen Erfahrungen im Electro-Sektor gesammelt. Auch
Ultragash, ein weiteres Solo-Projekt von Soundtüftler
Brennan Gervasi, findet sich in diesem Sektor wieder, wenngleich wesentlich weniger hardcore-lastig ausgerichtet als oben genannte Vertreter.
Gervesi selber bezeichnet den Stil seiner Band als Electro-Punk, was aber eben nur dann nachvollziehbar ist, wenn man Punk zu einem willkürlichen und stilistisch anarchistischen Element deklariert. Sein neues Album "Is This Love Or Confusion" beginnt mit dem
David-Bowie-Cover "
Space Oddity" und somit verhältnismäßig recht versöhnlich. Denn was folgt, sind sieben weitere Songs, die zwischen Beats, verzerrten Electronicas und Distortions, sowie anderen Überraschungsarrangements nur schwer fassbar sind. Das ist weder party-tauglicher Electro-Punk wie man ihn beispielsweise von
Frittenbude kennt, noch bloße Chaostheorie. Wenn
Gervesi's Stimme in teils berauschenden Falsett entgleitet, driftet das Ganze sogar in psychedlische Sphären ab - wohlgemerkt auf der Metaebene.
DL Is This Love Or Confusion?