Routeens
Manchmal kann Punk auch ein unkompliziertes Vergnügen sein, so wie im Falle der jüngst gegründeten Band
Routeens. Im Gießener Quintett finden sich u. A. Mitglieder von
Kick It!,
The Hip Nuns und
Berlusconi Headshot wieder, die gemeinsam melodischen Punkrock und treibenden Garage miteinander vermengen, inklusive direkter Ansagen. So finden sich auf ihrem selbstbetitelten Demo-Debüt sechs Songs ein, die sofort ins Tanzbein wandern und in ihrer simplen Art so rein gar nicht den Anspruch hegen, das Rad neu erfinden zu wollen. Angeführt von einer herrlich angenervten Sängerin, die gelegentlich von einigen Backgroundchören zur Heiterkeit animiert wird, erinnert das Ganze dann im Hinblick auf die hiesige Szene an Kombos wie
Kenny Kenny Oh Oh,
Femme Krawall oder
Gurr.
Facebook
DL S/T Demo
Buy Tape via PM on Fuckbook or Mail to: Routeens@web.de
Honeymoon
Ich habe keine Ahnung, ob Namedropping immer im Sinne des jeweiligen Künstlers ist. Ist mir ehrlich gesagt aber auch egal, denn ich für meinen Teil habe so schon eine Menge anderer toller Bands entdecken können, die mir ansonsten wohlmöglich nicht in die Ohren gerutscht wären. Los geht's! Die Mitglieder von
Honeymoon verteilen sich nicht nur auf die Städte Nürnberg, Erlangen und Leipzig, sie waren vorher und nebenbei auch in Hardcore-Punk-, Punk- und Screamo-Gruppen wie
Vengeance,
White Boy Problems,
The High Society,
Leidkultur,
I Refuse oder
Rêche aktiv.
Mit Honeymoon haben sie seit 2014 ein Projekt am Laufen, mit dem sie sich nicht zwangsläufig wiederholen wollen, allerdings ihrer Linie treu geblieben sind und gegenläufig zur Assoziation mit dem Bandnamen eine Art Kein-Spaß-Punk spielen. Drei Akkorde reichen der Band zumeist aus, um daraus eine unprätentiöse aber durchaus treibende Masse zu formen, der stets etwas Twang nachhallt und mit verbitterten wie aufgeregten Gesang gen 80er-Jahre-Hardcore-Punk und -Wave schielt.
Desastro
Und weil mir Namedropping so viel Freude bereitet gibt's gleich nochmal Nachschlag. Nicht von ungefähr, denn bei
Desastro mischen nicht nur Leute von
Smart Ass Dynamite & The New Generation of Destructive Entertainment und
Here Comes Conclusion mit, sondern auch von eben vorgestellten
Honeymoon und entsprechenden Nebenkombos. Vor allem im Hinblick auf die beiden Erstgenannten dürfte klar sein, dass die Grenzen des herkömmlichen Punkrocks für die Musik von
Desastro zu eng bemessen sein dürften, obwohl sich auf ihrer zweiten, selbstbetitelten EP fast nur Ohrwürmer tummeln. Fast schon selbstverständlich entgleiten der Nürnberger Band die eingängigen Melodien, die über der EP verteilt mit etwas Cold Wave, Noise, Deutsch- und Post-Punk verfeinert werden, mit ein paar härteren Riffs aber auch den Hardcore-Punk nicht vollkommen außer Acht lassen.
Im Februar diesen Jahres spielte die Band ihr Abschiedskonzert und hinterließ der Hörerschaft ihr Demo und die EP gegen Spende auf Bandcamp. Die 2013 über
Jean-Claude Madame erschienenen Demo-Tapes sind bereits restlos vergriffen.
Atmen, weiter...
Als ich den Bandnamen
Atmen, weiter... das erste Mal las, musste ich sofort an die mittlerweile verflossenen
Der Trick ist zu atmen denken. Ein ziemlich schlichter Gedankengang, ich weiß, der sich nach einem ersten Hördurchlauf ihres Demos "Die fabelhafte Welt der Lethargie" auch schnell wieder verflüchtigte, denn bis auf die clever ausgeklügelten Lyrics und ein paar dezente Hardcore-Punk-Anleihen, hat die Mainzer/Landauer Band mit ehemaliger
Burn/It/Out-Beteiligung nicht wirklich viel gemein mit den ehemaligen Hamburgern. Vielmehr tobt sich das Trio auf dem viel beackerten Post-Punk-Feld aus und erinnert in seiner angerauhten Art an die allseits bekannten
Trbstt. "K-Pax 2.0" plätschert etwas abseits davon im eingängigen Indie-Punk herum und "Haus/Hell" mündet nach seichtem Einstieg gar im Düster-Screamo. Das sind natürlich alles altbekannte Zutaten, die allerdings souverän zusammengemixt wurden. Und wer nebenher noch
McLusky zitiert (aus "
Balbo's Theme" im Non-Demo-Track "Die Scheissheit"), der hat bei mir ohnehin ein Stein im Brett.
Das besprühte Demo-Tape kommt übrigens in selbstgebastelter und handnummerierter Papphülle mit Textblatt und Sticker.
Das Tante Mathilda P.r.o.j.e.k.t.
Ich sag's euch, die Bandnamen und Musik werden immer interessanter und natürlich zieht sich auch im Falle von
Das Tante Mathilda P.r.o.j.e.k.t. das Namedropping wie ein roter Faden durch das 27. Bandcamp-Punk-Volumen. Diesmal aber durchaus berechtigt, denn die vier Düsseldorfer_innen um Sängerin
Lotte Lindex sind allesamt bekannte Gesichter aus dem
AK47-Umfeld und diverser Punk-Gruppen wie
Die Schwarzen Schafe,
Saigoons,
Scum and Nancy,
Punk-O-Mat (Karaoke mal anders, geile Nummer!)
The Lazy Bombs und
Marshmallow Muschis, die sich selber eher als Konglomerat bzw. Projekt sehen. Bleibt also abzuwarten, wie lange es das Quartett am Laufen hält. Zunächst einmal steht ihre Debüt-EP "...und der freie Fall" zu Buche, die auf Tape und CD als Co-Release zwischen
Racoone Records und
My Delight Records erscheint. Darauf zu finden sind fünf Songs, die zwischen satten Alternative Rock und Stoner umherpendeln und eigentlich nach etwas Größerem verlangen, als einem AZ. Tonangebend ist dabei ganz klar die kräftige Stimme von
Lotte, die den Songs energetisch in feinster
Cristina Llanos-Manier (
Dover) oder rotzig-poppig á la
Maria Mummert (
MIA.) und
Judith Holofernes, aber auch avantgardistisch an
Amanda Palmer erinnernd, vielen Gefühlsschwankungen unterzieht.
20 Liter Yoghurt
Viele verschiedene Eindrücke zu verarbeiten, galt es auch auf der Debüt-EP "HeartCore" der Grimmaer Band
20 Liter Yoghurt, die wir hier erst vor ein paar Monaten vorgestellt hatten. Auch auf "Thoughts of the Modern Youth", ihrem quasi dritten Demo-Release, das diesmal auch in einer limitierten und selbstgebastelten CD-Auflage erscheint, wollen sich die vier Sachsen stilistisch noch immer nicht genau festlegen. Authentischer Hardcore-Punk und ansteckender Melodic Hardcore kämpfen um die Vormachtstellung, zwischendurch und in ihrer Art unerwartet glänzen die Alternative-Nummern "Animals" und "Our World", mit denen die Band einen nostalgischen Sprung zurück in die spröden 90er wagt. Ihre tollen Melodien stülpen
20 Liter Yoghurt über direkte Texte, die in ihrer Einfachheit sicherlich keine große Erleuchtung bringen. Im Opener "Aryan" (bereits auf dem '15er-Demo, Artikel zum rechtsextremen Mode-Label
HIER) klingen die sich überschlagenen Lyrics stellenweise gar etwas zu sehr in die Melodie gepresst. Egal. Die Probleme heutzutage sind nunmal die gleichen, wie vor zwanzig Jahren. Was soll Band da schon großartig rumschwafeln?
Buy CD via PM on Facebook or Mail to: 20literyoghurt@gmail.com
Useless (Winterthur)
Wesentlich mehr dem 90er-Alternative/Grunge zugehörig, fühlen sich die drei Jungs um Bassistin
Sarah von
Useless aus Winterthur, womit unsere Schweizer Wochen auch in diesem Beitrag vertreten sind. Nicht nur Sänger und Gitarrist
Nik Petronijevic kann mit seinen Vorbands
The Stifflers,
Molotov Rocktail und seinem jüngeren Solo-Projekt
King Contradiction schon auf einiges an Banderfahrung zurückgreifen, auch Zweit-Gitarrist
Flurin Wäger und Schlagzeuger
Lukas Wäger (
Fake Empire) sind keine unbeschriebenen Blätter mehr. Dass bei einer Alternative/Grunge-Band ausgerechnet die Bassbesetzung zum ersten Mal auf der Bildfläche erscheint, ist nur eine Sonderbarkeit von
Useless. Vor allem aber ihr ungewöhnlich düster-grummelnder Retro-Sound mit den
Nirvana- und später auch
The Vines-typischen, langezogenen Interjektionen (aaaaaah, yeeeeeah, usw. ;) dürfte Nostalgikern ein sehnsüchtiges Lächeln abgewinnen können. In der Quintessenz beider Bands bewegt sich der Sound von
Useless, die diesbezüglich sehr offen mit ihren Referenzen umgehen. Im epischen EP-Closer "Thoughts of a Suicide" weicht die Band sogar nochmal Sludge-doomig Richtung
Melvins aus. Wenn schon 90er, dann eben richtig.
Rivers & Tides
Mensch muss schon wahnsinnig aufpassen, dass
Rivers & Tides nicht spurlos an einem/einer vorbeiziehen. Ihr selbstbetiteltes Demo-Debüt, das als Tape über
Koepfen erschien und natürlich schon restlos vergriffen ist, liegt nun schon zweieinhalb Jahre zurück. Es folgte ein exklusiver Sampler-Beitrag und anfang 2015 klammheimlich ihre zweite EP "Shelved", auf der die fünf Regensburger abermals ein Melodiefeuerwerk aus Alternative, Pop-Punk und Emo ablieferten. Klar, dass kennt mensch auch hierzulande schon von Bands wie
Twin Red (ex-
Client.),
Rowan Oak (ex-
Western Grace) oder den
Rollergirls.
Rivers & Tides gehen allerdings mit dem (Selbst-)Verständnis der ganz großen dieses Genres zu Werke und schaffen es, den/die Hörer_in mit viel Gefühl, vielleicht auch etwas Theatralik, vor allem aber treibenden Songs mitzureißen. Da stellt sich eigentlich nur die Frage, warum die Band noch kein Label gefunden hat.
Young Season
Auch mit
Young Season will die Alternative-Welle in diesem Beitrag einfach nicht abflachen, auch wenn sich die erst kürzlich zusammengeraufte Band aus Hannover etwas mehr im Dreck suhlt, als die vorangegangenen
Rivers & Tides. Auf ihrem 4-Song-Demo-Debüt schielen
Young Season nicht nur mit einem Augen über den Großen Teich Richtung Gainesville, obwohl die Songs sicherlich auch nochmal für einen guten Antrieb auf dem Skateboard sorgen dürften. Ihre Proberaum-Buddies von
Schmutzstaffel sprechen dagegen eine etwas andere Empfehlung aus: "Falls ihr auf
Title Fight in schlecht, oder auf
No Fun At All in gut steht, dann checkt das mal ab."
In der Kürze liegt die Würze
JaaRi
Hat sich
Dÿse-Drummer
Jarii van Gohl etwa eine neue Frisur zugelegt und das als Anlass genommen, gleichmal ein neues Projekt zu starten, nachdem schon sein Mitstreiter
An3 Dietrich mit
Haik abtrünnig wurde? Dies waren zumindest meine ersten Gedanken, als mein Blick über
JaaRi's
Bandfoto gleitete und an der linken Seite hängen blieb. Doch dann fiel es mir wie Shuppen von den Augen - die Band
JaaRi hat ihren doppelten Vokal auf's
A vorgezogen. Als ersten Song präsentiert uns das Hauptstadt-Trio "Interflug", der durch eine Art Alternative-Pop-Punk mäandert und mich vielleicht auch wegen des verhallten Gesangs wirklich stark an das Debüt-Album von
Desaparecidos erinnert. Kann gerne so weiter gehen.
DL Song "Interflug"
Acerola
Post mortem haben
Acerola nun endlich auch Bandcamp für sich entdeckt und ihr zweites Album "Meister der Romantik" aus dem Jahre 2007 zum kostenlosen Download freigegeben. Erschien damals als CDr auf den Tru-Punk-Labels
Kill All Human Records und
Empty Head Records, ihr Debüt-Tape "This Boy is *Acerola*" über
Aldi-Punk. Somit dürfte klar sein, was uns mit
Acerola erwartet. Eine typische Band aus dem Backkatalog von
Greffo Lachpansen (u. A.
Lafftrak und
Der Kopflose Börsenmakler),
Marian Brenneke (u. A.
Huchi Can Take It und
Affenscheisse) und
Neon Bone-
Lars: holprig, blechernd, Texte Freischnauze voraus. Kurzum: Asselpunk der dilettantischen Sorte, der damals sogar das
Ox-Fanzine zu einem ordentlichen Verriss verleitete: "Schülerband, aus der vielleicht was werden kann, wenn sie mehr übt." Wie wir heute wissen, wurde aus ihnen nichts.
P.S.: So ganz stimmt das natürlich nicht. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist
Marian Brenneke einer der führenden
Köpfe hinter dem jüngst gegründeten Label
Stajner Youth Entertainment, das mit dem Sampler "
Die Realität muss sterben, damit wir leben können" einen furiosen Start hinlegte.
DL Meister der Romantik LP
Schnulz
Die Bezeichnung dilettantisch dürfte das Frankfurter Duo
Schnulz dagegen wohl eher als Kompliment aufschnappen. Auf ihrem Debüt-Album "Schnulzianic Ohmacht" entgleiten die Songs stellenweise gen Opernbühne, driften an anderer Stelle ins Musikantenstadl ab oder finden sich im Gangster-Rap wieder. Ich stelle mal die waghalsige Vermutung auf, auf ein nicht ganz ernstgemeintes Album gestoßen zu sein, dass vielleicht Diejenigen mit offenen Armen in Empfang nimmt, denen
Knorkator,
Alfons Bauer und
Cindy aus Marzahn schlichtweg zu ernst sind.
DL Schnulzianic Ohnmacht